Colostrum ist die erste Milch, die von allen Säugetieren produziert wird. Dadurch wird die von der Mutter gewonnene passive Immunität auf das neugeborene Leben übertragen.
Die Erstmilch von Kühen (Bovines Colostrum) kann dabei grundsätzlich in großen Mengen gewonnen werden und besitzt aufgrund einer 99% igen Übereinstimmung mit menschlichem Colostrum zudem auch sehr ähnliche Eigenschaften.
Bovines Colostrum wurde infolgedessen schon vor Jahrhunderten bei zahlreichen körperlichen Erkrankungen verwendet. Die Erstmilch stimuliert das Immunsystem und enthält Wachstumsfaktoren sowie weitere bioaktive Substanzen, welche der Körper speziell bei Infektionen benötigt, um diese effektiv zu bekämpfen. Colostrum wurde in damaligen Zeiten demzufolge bei gastrointestinalen Störungen, Atemwegsinfektionen, rheumatoider Arthritis, oder auch für den Heilungsprozess von verletztem Körpergewebe etc. eingesetzt.
Bedauerlicherweise existieren heute nur wenige Placebo-kontrollierte Doppelblind-Studien, welche aus meiner Sicht die Wirksamkeit von Colostrum beim Menschen beweisen könnten, obgleich in der Literatur bereits zahlreiche Erfahrungsberichte hinsichtlich der Wirkung bei verschiedensten Erkrankungen dokumentiert sind.
Allerdings wurden in den letzten zehn Jahren vereinzelt schon Laborstudien mit Mäusen durchgeführt. Insbesondere die einzigartigen, antiviralen Eigenschaften der natürlichen Inhaltsstoffe der Erstmilch standen dabei für die zumeist asiatischen Wissenschaftler im Mittelpunkt.
Nachfolgend möchte ich zwei meiner Meinung nach sehr interessante Versuchsanordnungen in Bezug auf ein mögliches antivirales Wirkspektrum von bovinem Colostrum aufführen.
Die Wirkung von bovinem Colostrum auf die Respiratorische Synzytial Virus Infektion und die Immunreaktion bei Mäusen [1]
„Das respiratorische Synzytialvirus (RSV) ist ein weit verbreiteter und bedeutsamer Erreger von Atemwegsinfektionen. Insbesondere bei Frühgeborenen und Säuglingen, aber auch bei Erwachsenen im fortgeschrittenen Alter führt es zu schweren Erkrankungen der unteren Atemwege mit Intensivpflichtigkeit und erhöhter Letalität.
Eine Diagnostik ist schnell verfügbar, die präventiven und therapeutischen Möglichkeiten sind derzeit jedoch begrenzt. Neue Substanzen befinden sich in der klinischen Erprobung. Speziell CD8 T-Zellen spielen dabei eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung und Beseitigung von RSV beziehungsweise der Verhinderung einer nachfolgenden Infektion.
Untersucht wurden im Labor die Auswirkungen von bovinem Colostrum auf die virale Infektion sowie die CD8 T-Zell-Reaktionen nach der RSV-Infektion im Mausmodell. Die Mäuse erhielten 14 Tage lang bovines Colostrum, bevor sie mit dem RSV- Erreger infiziert wurden. Im Anschluss wurden die Lungenindizes (Schwere der Symptome) und die Lungenvirustiter (Volumen pro Masse) analysiert.
Darüber hinaus wurde die Aktivierung von CD8 T-Zellen in den bronchoalveolären Lavage-Flüssigkeiten (BALF) von Mäusen, die bovines Colostrum erhielten, mit denen in den BALF von Mäusen verglichen, welche phosphatgepufferte Kochsalzlösung (PBS) nach der Infektion erhielten.
Der Schweregrad der Infektion und die Lungenvirustiter waren bei den Mäusen, die bovines Colostrum erhielten, im Vergleich zu den Mäusen, welche PBS erhielten, reduziert. Darüber hinaus waren die Reaktionen der CD8-T-Zellen der Erstgenannten selektiv verstärkt.
Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass bovines Colostrum die RSV Atemwegsinfektionen hemmen kann und die auftretenden Symptome durch die Infektion gelindert werden. Die CD8-T-Zell-Reaktion während der RSV-Infektion wird dagegen verstärkt.“
Prävention und Behandlung der Influenza-A mit bovinen Colostrum Antikörpern [2]
„Trotz der Verfügbarkeit spezifischer Impfstoffe und antiviraler Medikamente fordert die Grippe (Influenza-A) nach wie vor einen hohen Tribut an die menschliche Gesundheit. Außerdem wird die jährliche Vorbereitung von geeigneten Maßnahmen, als eine bedeutende logistische Hürde zur Kontrolle der saisonalen Grippe angesehen.
Die passive Übertragung spezifischer Antikörper (Immunfaktoren) könnte ein nützliches Mittel zur Prävention oder Behandlung der Infektion bei ungeimpften oder nicht ausreichend serokonvertierten Personen darstellen, insbesondere da die Resistenz gegen antivirale Medikamente in der Bevölkerung sukzessive zunimmt.
In einem Versuch mit Mäusen wurde bovines Colostrum, welches bei Kühen bis zu 500 g Immunglobulin G (IgG) pro Melkung enthält, als mögliche Quelle für polyklonale Antikörper untersucht. IgG und F(ab‘)2 (Sekundäre Antikörper Fragmente) wurden aus dem Colostrum von Kühen, welche mit dem Influenza-A/Puerto Rico/8/34 (PR8) Impfstoff geimpft wurden, gereinigt und wiesen hohe hämagglutinationshemmende und virusneutralisierende Titer auf.
Bei BALB/c-Mäusen könnte somit eine einzige Verabreichung von entweder IgG oder F(ab‘)2 die Etablierung einer Infektion mit einer subletalen Dosis des PR8-Virus verhindern, wenn sie bereits 7 Tage vor der Virus-Exposition verabreicht wird.
Entsprechend vorbehandelte Mäuse überlebten auch eine ansonsten tödliche Dosis des PR8-Virus, wobei die IgG-, nicht aber die F(ab‘)2 behandelten Mäuse keinen Gewichtsverlust zeigten. Eine erfolgreiche Reduzierung der nachgewiesenen Infektion mit dem PR8-Virus wurde auch bei einer einzigen Behandlung 24 Stunden nach der Virus-Exposition beobachtet.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine kommerziell skalierbare Technik zur Herstellung von Antikörpern aus bovinem Colostrum einen natürlichen Ersatz für antivirale Medikamente zur Kontrolle von grippalen Infektionen ermöglichen könnte.“
Die therapeutischen Einsatzmöglichkeiten beim Menschen von auf Colostrum basierenden Präparaten müssen selbstverständlich weiter explizit erforscht werden. Die einzigartigen Inhaltsstoffe der Erstmilch von Kühen besitzen meines Erachtens aber genügend Potential, insbesondere virale Erkrankungen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu verhindern.
Speziell bovines Colostrum wird sich vielleicht schon in naher Zukunft als ein geeignetes und zugleich protektives Mittel erweisen, um Infektionskrankheiten auf natürliche Art und Weise zu behandeln.
Bleiben Sie gesund.
Ihr Dr. Marco Prümmer
[1] Mei Ling Xu et al. J Microbiol. Sep. 2015
[2] Wy Ching Ng et al. PLoS One. 2010